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Die Vertreibung aus dem Paradies

FRANKFURT Ein Landwirt will verhindern, dass auf einem Naherholungsgebiet nördlich der Jahrhunderthalle ein neues Wohnviertel für 5 000 Menschen entsteht. Geschützte Feldhamster könnten das Projekt blockieren.

Thomas Schlimme kennt sich mit Äckern und Böden aus. Schließlich ist der Frankfurter selbst Landwirt. Gemüse und Obst baut der Öko-Bauer auf den Feldern in dieser Gegend am westlichen Rand von Frankfurt an. "Es sind gute Böden", sagt Schlimme. Er steht auf einem Hügel und blickt in die Ferne: Felder, Hecken, vereinzelte Bäume, Wiesen. Auch an diesem trüben Oktobermorgen sieht man Bürger mit ihren Hunden spazieren. Das alles soll es bald nicht mehr geben. Nach dem Willen des Parlaments und der Stadtplanung sollen 67 Hektar zwischen der Jahrhunderthalle, Unterliederbach, der A 66 und Zeilsheim bebaut werden. Knapp 5 000 Menschen sollen im "Silogebiet" demnächst wohnen. Sportanlagen, ein Gewerbegebiet, ein Hotel, eine Grundschule, drei Kindertagesstätten und so viele Geschäfte wie möglich werden nach den Vorstellungen eines holländischen Investors realisiert. Und eine seit 20 Jahren geplante Umgehungsstraße von Frankfurt in den Main-Taunus-Kreis soll auch gebaut werden, weil ja der Verkehr zunimmt. Sogar an einen Autobahnanschluss ist gedacht.

Mit Grausen betrachtet Schlimme drei Baukomplexe, die die Hoechst AG vor 15 Jahren in die Landschaft stellte. Massive vierstöckige Wohnfabriken, die zynisch "Gartenstadt" genannt werden. "Planlos in die Landschaft gesetzt", schimpft der Landwirt und sagt: "Das droht jetzt wieder." Dabei sei die Fläche ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Bürger der drei angrenzenden Stadtteile. Rebhühner, Feldhasen und zahlreiche Vogelarten tummeln sich hier. Zudem weht über die Fläche Frischluft aus dem Taunus in die angrenzenden Stadtteile. In Nied und Höchst würden es die Menschen im Sommer merken, wenn künftig die Luft von einem Riegel aus Häusern aufgehalten werde, befürchtet Schlimme.

Dem hält Uwe Becker, Fraktionschef der CDU im Römer entgegen: "Die Fläche ist seit vielen Jahren zur Wohnbebauung vorgesehen. Es gibt in Frankfurt nicht mehr viel Siedlungsfläche."

"An Naherholungsgebieten gibt es hier aber sonst gar nichts", entgegnet Schlimme, der für die Grünen im Ortsbeirat Stimmung gegen das Bauprojekt macht, bisher vergebens. Bis auf seine Partei haben in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung alle anderen Fraktionen der Koalition (CDU, SPD, Grüne, FDP) für die Pläne gestimmt. "Das wird eine gefällige Bebauung, ein vernünftiger Mix mit Grün drin", sagt der CDU-Stadtverordnete Bernhard Mertens.

Eigentlich ist Widerstand aussichtslos, wenn es da nicht noch die Feldhamster geben würden. Die sind von der Europäischen Union geschützt. 50 Exemplare der niedlichen Nager will ein selbst ernannter "Hamster-Experte" hier entdeckt haben. Ein Gutachten liegt vor. Die Stadtplanung hat darauf reagiert, will alle Exemplare umsiedeln, auf ein Grundstück zwischen Zeilsheim und A 66, das nicht bebaut wird. "Da soll ein Hamsterparadies hin", hat Thomas Schlimme erfahren. Landwirte sollen Getreide stehen lassen, damit die Tiere üppig was zu fressen haben. "Bauern als Hamsterpfleger. Das ist lächerlich. Wer sich darauf einlässt, macht sich zum Gespött", weiß Schlimme. Er hat zudem erfahren, dass die Hamster aus ihrem "Paradies" schnell wieder vertrieben werden sollen. Jedes Jahr ein Stück weiter, weil ja in mehreren Bauabschnitten fast die komplette Fläche mit Gebäuden überzogen werden soll. Doch im "Silogebiet" gibt es nicht nur fruchtbare Äcker, sondern auch feuchte Gräben mit hohem Grundwasserspiegel. "Da sollen die armen Hamster durchgeschoben werden", klagt Schlimme. Einfangen und woanders ansiedeln geht auch nicht, denn "Hamster haben ein schwaches Herz". Und: In einem neuen Gebiet haben die Tiere, die maximal zwei Jahre alt werden, erst mal keine Wohnung, sprich: keine Höhle, ein unzumutbarer Stress also.

Schlimmes Partei, die Grünen, hat schon mal recherchiert, welche Stellen bei der Europäischen Union für den Schutz der Feldhamster zuständig sind. Es soll mehrere geben. Die Grünen warten jetzt noch die Stellungnahme der Stadt ab. "Danach gehen wir nach Brüssel", kündigt Landwirt Schlimme an.

Wiesbadener Kurier - Meldung vom 28.10.2004

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