Drei leere Winterquartiere lösen Diskussionen aus - Feldhamster contra BoA-Bau

Was ihn zuversichtlich stimmt: Ein „neues, von der RWE Power bislang unter Verschluss gehaltenes Gutachten“ belege, dass der Bau des BoA-Kraftwerks in Neurath „ein Überwinterungsgebiet des vom Aussterben bedrohten Feldhamsters vernichten“ würde. Was die Sache prickelnd macht: Die possierlichen Nager stehen unter besonderer Obhut der EU-Kommission. Denn deren Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie verbietet sowohl jede Störung dieser seltenen Tierart als auch die Vernichtung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten.

„Damit ist die BoA nicht genehmigungsfähig“, meint Jansen. „Absoluter Blödsinn“, heißt es dazu aus der Konzern-Zentrale in Essen. Manfred Lang, Sprecher von RWE Power, weist den BUND-Vorwurf, dass sein Unternehmen ein Gutachten unter Verschluss halte, vehement zurück: „Wir verwahren uns gegen solche Behauptungen“. Schließlich sei das Gutachten unmittelbar nach seiner Fertigstellung der Bezirksregierung Düsseldorf als Genehmigungsbehörde zugleitet worden. Der Gutachter selbst habe auf dem Gelände keinen einzigen Hamster zu Gesicht bekommen: „Es wurden lediglich drei alte Hamsterbaue gefunden, die offensichtlich schon seit längerem verlassen waren.

Darauf deuteten jedenfalls Moos und Spinnweben hin, die an den Höhleneingängen gefunden wurden.“ Tatsächlich weist das Gutachten, das auch der NGZ vorliegt, diese Höhlen eindeutig als Winterbaue aus. „Und die waren im Sommer diesen Jahres, zum Zeitpunkt der Untersuchung, natürlich nicht bewohnt. Das wird auch im Fazit des Gutachters Dr. Raskin deutlich“, so Dirk Jansen. Für ihn steht fest: Der Hamster krabbelt in der kalten Jahreszeit wieder in Richtung Neurath. Daher muss das 83 Hektar große Baugelände für das Überleben des putzigen Nagetiers gesichert werden.

„Zumal in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Lebensräume vernichtet wurden. Allein der Braunkohlentagebau in der Niederrheinischen Bucht fraß etwa 19 000 Hektar der Hamster-Habitate“, argumentiert der BUND-Geschäftsführer. Auch die derzeit auf dem künftigen BoA-Baugelände vorgenommenen archäologischen Untersuchungen würden die vom Aussterben bedrohten Tiere gefährden. Die Umweltschützer haben diesbezüglich ebenfalls bei den zuständigen Behörden Alarm geschlagen. Dass ausgerechnet der Feldhamster ein Milliardenprojekt wie den neuen Braunkohleblock verhindern könnte, klingt zwar absurd, ist aber nicht unwahrscheinlich.

Welche aufschiebende Wirkung dieses possierliche Tierchen haben kann, zeigte das Gewerbegebiet „Avantis“ zwischen Aachen und Heerlen (12 000 Arbeitsplätze). Über vier Jahre zog sich der Streit zwischen Wirtschaftsplanern und Umweltschützern, 18 Mal standen sich die streitenden Parteien vor Gericht gegenüber. Schließlich schaltete sich die EU-Kommission ein. Die Brüsseler Kommissare stellten sich auf die Seite des kleinen Nagers und drohten der Bundesrepublik mit Klage vor dem europäischen Gerichtshof. Mitte des vergangenen Jahres stellte die EU das Verfahren ein - nachdem das Land NRW ein Hamster-Schutzkonzept aufgelegt hatte.

Dass es in Neurath zu einem „zweiten Avantis“ kommen könnte, befürchtet Gerhard Papke, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Er forderte am Dienstag die Landesregierung auf, „umgehend diese Posse zu beenden und einige wild gewordene Naturschützer zur Vernunft zu bringen“. Das Land müsse sich zu diesem Investitionsprojekt bekennen und verhindern, „dass einige leere Erdlöcher als Blockadeinstrument eingesetzt werden."

Feldhamster-Info

Der Feldhamster gilt als der größte aller Hamster. Wie bei vielen Nagetieren sind seine Körpermaße jedoch erheblichen Schwankungen unterworfen.

Erwachsene Tiere können eine Kopfrumpflänge von 24 bis 34 Zentimetern und ein Gewicht von 200 bis 900 Gramm aufweisen.

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