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Früher verjagt, jetzt verhätschelt – mit Vorliebe kippen die Tiere Bauprojekte

Frankfurt. Ihr Auftreten ist eher unverdächtig: Hamster haben ein possierliches Äußeres, sind als nachtaktive Tiere tagsüber so gut wie nicht zu sehen und ziehen sich bereits Ende August zum Winterschlaf zurück, aus dem sie selten vor März wieder aufwachen. Dennoch haben Bauern diese possierlichen Nager irgendwann einmal zu ihrem ärgsten Feind ausgerufen und sie jahrhundertelang gnadenlos verfolgt – was wohl damit zu tun hatte, dass jeder Hamster zum schon erwähnten Winterschlaf mit drei bis vier Kilogramm Körnern in seinem Bau verschwindet.

Jetzt schlagen die Tiere zurück. Weil die Europäische Union den Hamster im Jahr 2001 bei der Vorstellung ihrer neuen Naturschutzrichtlinie Flora – Fauna – Habitat (FFH) als vom Aussterben bedrohte Tierart einstufte, kann den kleinen Pelzträgern nun nichts mehr passieren. Wo sie gesichtet werden, darf vor allem nicht mehr gebaut werden und das hat schon einigen Bauprojekten im ganzen Land den Garaus gemacht oder teure Umsiedlungsaktionen zur Folge gehabt.

In Mainz können sie ein Lied davon singen. Bei der Planung eines Gewerbeparks außerhalb der Stadt mit rund 6000 neuen Arbeitsplätzen wurden an einigen Stellen des über 90 Hektar großen Geländes handtellergroße Löcher festgestellt, die sich bei näherer Untersuchung als so genannte Fallröhren der Hamster in deren eigentlichen Wohnbereich (Vorratskammer, Lager, Kotplatz) herausstellten.

Die Dinge nahmen ihren scheinbar unvermeidbaren Lauf. Auf Antrag eines selbst ernannten Landschaftsschützers namens Holger Hellwig, der nicht zum ersten Mal als Anwalt bedrohter Tiere auftrat, wurde ein lauschiges Reservat für die Hamster angekauft und der Umzug der Tiere geplant, wofür ursprünglich Kosten in Höhe von 6,8 Millionen Euro errechnet wurden. Erst als die Mainzer sich daraufhin bundweiten Gespötts ausgesetzt sahen, machten sie es billiger – der Umzug wird jetzt «nur» noch auf 2,7 Millionen beziffert.

Tatsächlich umgesiedelt wurden jedoch erst zwei Exemplare, was zum Teil auch damit zu tun hat, dass ihr Winterschlaf nicht gestört werden darf und trächtige Tiere ebenfalls nicht umziehen dürfen. Hamster-Weibchen bekommen aber zwei Mal im Jahr Junge, was das Problem, sie außerhalb einer Schwangerschaft anzutreffen, nicht vereinfacht. Andere bezweifeln dagegen, dass die von Hellwig festgestellten 500 Tiere überhaupt auf dem Gelände wohnen. Der Hamster-Experte hat inzwischen seine Schätzung auch auf 90 heruntergeschraubt.

Ob nun 500, 90 oder nur 2 – entscheidend ist gar nicht, wie viele Exemplare festgestellt werden, wenn sie denn nur unter die strengen Schutzvorschriften der so genannten Roten Liste fallen. Dabei hatte die südhessische Stadt Lampertheim Glück. Nachdem Umweltschützer auf einem Baugrundstück Feldhamster vermutet hatten, gab die Stadt eine Zählung in Auftrag. Die erbrachte zwar keinen Hamsterbestand, schlug sich aber immerhin auch mit 3500 Euro nieder.

Das sind freilich nur Peanuts gegen die Summen, die andere Städte für die Nachbarschaft der Hamster opfern mussten.

- So blockierten die Tiere in Göttingen jahrelang den Bau eines 25 Millionen Euro teuren Gebäudes der Universität, bis sie endlich unter hohen Kosten ein neues Zuhause gefunden hatten.

- In Friedberg verhinderte der Cricetus cricetus, so der lateinische Artenname, die Umgehungsstrecke der B 3 und brachte viele Bürger in Rage, die stattdesssen die Belastungen dieser viel befahrenen Bundesstraße weiter ertragen mussten.

- Neuerdings hat sogar Frankfurt sein Hamster-Problem. Im so genannten Silogebiet nördlich der Höchster Jahrhunderthalle wurden nämlich ebenfalls Nager gesichtet, wo demnächst ein Wohngebiet errichtet werden soll. Umziehen heißt auch hier die Devise, doch will man es in der Mainmetropole besser und vor allem billiger machen als im benachbarten Mainz: Von Hand sollen die Tiere auf benachbarte Äcker verbracht und den Bauern dafür eine Hamsterpauschale in Höhe von 51 Euro pro Jahr für Ernteausfall bezahlt werden.

Tierschützer haben dagegen jedoch bereits Bedenken angemeldet: Der Cricetus Cricetus verfügt von Natur aus über ein schwaches Herz und könnte diese intensive Begegnung mit dem Menschen nicht überleben. Es steht also schlecht um Frankfurts neues Wohngebiet.

Frankfurter Neue Presse - Meldung vom 8.7.2004

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